Skip to main content

HARZGLANZ

9. Juni 2021

2020 hat die Entwicklung fünf Jahre übersprungen

Pandemie beschleunigt Digitalisierung der Schulen in Deutschland

(Fotografie: Siering/IServ GmbH)

Das Epizentrum der digitalen Schule liegt Anfang 2021 mitten in der Stadt Heinrichs des Löwen. Angesichts der Corona-Pandemie erlebt das regional ansässige Unternehmen IServ derzeit einen wahren Ansturm – die Digitalisierung der Schulen in Deutschland schreitet weiterhin voran.

Vom Schulprojekt zum Platzhirsch

Plötzlich war das Thema omnipräsent. Die Ausnahmesituation angesichts der Covid-19-Infektionen sorgte dafür, dass die digitale Schulbildung zwischen List und Oberstdorf, zwischen Görlitz und Aachen einen gewaltigen Schub erfuhr. Im Homeschooling-Szenario nutzen inzwischen täglich mehr als 4.600 Schulen und 2,4 Millionen Schülerinnen und Schüler die digitale Schulplattform ‚Made in Braunschweig‘.

All das nahm denkbar klein seinen Anfang. Zur Jahrtausendwende kam eine Gruppe Neuntklässler der Hoffmann-von-Fallersleben-Schule in jeder freien Minute in einem Kellerraum kaum größer als eine Abstellkammer zusammen. Zwischen Pizzakartons und Hausaufgaben tüftelten die Gymnasiasten ihre Version einer Schulsoftware aus. Unter der Anleitung eines engagierten Lehrers hatten sie sich das Ziel gesetzt, „ein System zu bauen, das jedem Schüler eine eigene E-Mail-Adresse bereitstellt“, berichtet Jörg Ludwig. Der heute 38-Jährige war einer jener Schüler, die auch Diskussionsforen, Chaträume und Dateiaustausch für das System programmierten und die Idee schlicht „IServ“ tauften.

Ohne Fördermittel oder Kredite, dafür aber mit der Empfehlung einer Prämierung bei ‚Jugend forscht‘, wuchs das Schulprojekt schnell heran. „Andere Schulen kamen bald auf uns zu“, erinnert sich Ludwig, denn: „Es hatte sich von ganz selbst herumgesprochen, dass der IServ funktioniert und praxisgerecht die Anforderungen der Schulen erfüllt.“ Die Zahl der betreuten Schulen wuchs bis 2006 auf 500, vor allem Braunschweig und Osnabrück gehörten zu den Vorreitern.

„Aus der Schule für die Schule“

Und Ludwig? Der wuchs aus der Schule direkt in die Unternehmerposition hinein. „Aus der Schule für die Schule“. Der Softwareentwickler studierte an der TU Braunschweig Informatik und gründete 2009 gemeinsam mit seinem heutigen Geschäftspartner Benjamin Heindl eine GmbH. Die Philosophie des Start-ups sieht grundsätzlich eine gewisse Interaktion mit den Anwendern vor. „Die meisten Funktionen im IServ kommen aus einem permanenten direkten Austausch mit den Schulen“, betont Ludwig und ergänzt: „Aus den besten Ideen entwickeln wir ein rundes Projekt“.

Die Server stehen direkt in den Schulen und vollziehen die Datensicherung oder installieren Updates über Nacht, ohne dass ein Schul-Admin die digitalen Arbeitsplätze vor Ort verwalten muss. Solch ein dezentraler Ansatz gewährleistet eine hohe Ausfallsicherheit. Anfang 2020 betreute IServ auf diese Weise bereits mehr als 2000 Schulen – die meisten davon in Niedersachsen. Dann kam die Pandemie.

Das unternehmerische Risiko

„Von heute auf morgen hat sich unsere Vision der Digitalisierung verwirklicht“, blickt Ludwig auf ein turbulentes Jahr zurück. „Als im März die Schulschließungen drohten, haben wir sofort reagiert und gemeinsam überlegt, was wir tun können, um den Schulen in dieser Situation schnell zu helfen.“

Ohne einschätzen zu können, wie sich die Nachfrage nach digitalem Unterricht entwickeln würde, stellte das Unternehmen allen neuen Schul-Kunden seine digitale Schulplattform für ein halbes Jahr kostenfrei zur Verfügung. Um die enorme Nachfrage bewältigen zu können, erweiterte man das Angebot auf eine Cloud-Version und organisierte für 300.000 Euro zusätzliche Serverkapazitäten. Noch im ersten Lockdown entwickelten Ludwig und sein Team auf Basis einer Open-Source-Software ein Videokonferenzmodul, das ebenfalls kostenlos bereitgestellt wurde. Beinahe alle beteiligten Schulen entschieden sich nach ihrer Testphase für ein kostenpflichtiges Abo.

Natürlich gab es auch Rückschläge. Ausgerechnet zum Schulstart 2021 kam es aufgrund einer fehlerhaften Programmzeile zu einem zeitweisen Ausfall des Videokonferenzmoduls. „Im Vorfeld hatten wir unsere Serverkapazitäten für dieVideokonferenzen vorsorglich noch einmal drastisch erhöht und sahen uns für den Ansturm bei Schulstarts optimal gerüstet“, ärgert sich Ludwig heute. Sein unternehmerischer Mut wurde dennoch belohnt. Bis Ende 2021 steuern die Niedersachsen auf die 6000. Schule zu. 160 Mitarbeiter sollen dann für einen reibungslosen Ablauf sorgen. „Die Schuldigitalisierung hat 2020 etwa fünf Jahre ihrer Entwicklung übersprungen“, resümiert der gebürtige Braunschweiger.

Mehr aus dieser Rubrik





Zur Startseite